Der Begriff Seeing bezeichnet in der Astronomie und Astrofotografie die Luftunruhe der Erdatmosphäre, welche die Bildqualität und Detailgenauigkeit astronomischer Beobachtungen und Fotografien beeinflusst. Diese Luftunruhe entsteht durch Temperaturunterschiede, Turbulenzen und Dichtevariationen in den verschiedenen Schichten der Atmosphäre, die das einfallende Licht von Sternen und anderen Himmelskörpern brechen und verzerren.
Für Astrofotografen ist Seeing ein entscheidender Faktor, wenn es um die Abbildungsqualität feinster Details geht – insbesondere bei hochauflösender Planeten-, Mond- und Sonnenfotografie, aber auch bei der Langzeitbelichtung von Deep-Sky-Objekten, da starke Luftturbulenzen zu aufgeblähten Sternscheibchen, verringerter Auflösung und Unschärfen führen.
Auswirkungen des Seeings auf die Astrofotografie
Ein schlechtes Seeing äußert sich typischerweise in flimmernden Sternen, schwankendem Live-View-Bild oder einer unscharfen Abbildung bei Aufnahmen hoher Brennweite. Auch bei Langzeitbelichtungen im Deep-Sky-Bereich kann schlechtes Seeing die Leistungsfähigkeit von Montierung und Guiding einschränken, da das Teleskop ständig auf winzige Bildverschiebungen reagieren muss, die nicht auf tatsächliche Objektbewegung, sondern auf atmosphärische Effekte zurückgehen.
Seeing-Klassifikation nach Antoine-Seeing-Skala
Klassifikation | Beschreibung | Auflösung (Bogen-Sekunden) | Visuelle Wirkung |
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I | Exzellent – nahezu ruhige Atmosphäre | < 1″ | Sehr feine Details, ideal für Planetenfotos |
II | Gut – geringe Luftunruhe | 1–2″ | Details gut sichtbar |
III | Mittelmäßig – mäßige Unruhe | 2–3″ | Bild schwankt leicht, Details teils verwaschen |
IV | Schlecht – starke Turbulenz | 3–4″ | Schwache Strukturen verschwinden |
V | Sehr schlecht – extrem unruhig | > 4″ | Nur helle Objekte grob sichtbar |
Ursachen für schlechtes Seeing
Seeing wird durch viele atmosphärische und lokale Einflüsse verschlechtert. Dazu gehören unter anderem:
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Temperaturunterschiede zwischen Boden, Gebäuden und Luftschichten
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Turbulenzen durch Wind oder lokale Aufwinde (z. B. über Hausdächern)
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Jetstream-Aktivität in 10–15 km Höhe
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Nicht ausgekühlte Teleskope (Tubusseeing)
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Beobachtungsrichtung über wärmespeichernde Flächen (z. B. Asphalt, Dächer)
Auch Standortfaktoren wie Höhenlage und geografische Breite haben Einfluss: Je höher ein Standort über dem Meeresspiegel liegt und je weiter entfernt er von urbaner Infrastruktur ist, desto besser ist das durchschnittliche Seeing.
Seeing messen und beurteilen
Seeing kann qualitativ eingeschätzt oder quantitativ gemessen werden. In der Amateurastronomie haben sich insbesondere folgende Methoden bewährt:
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FWHM-Messung (Full Width at Half Maximum) bei Sternabbildungen im gestackten Bild
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Live-Beobachtung des Sternflimmerns bei hoher Vergrößerung
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Driftanalyse im Autoguiding-Log (z. B. bei PHD2)
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Nutzung von Seeing-Vorhersagen über Onlineportale wie MeteoBlue oder Clear Outside
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Wissenschaftliche Instrumente wie DIMM (Differential Image Motion Monitor) an Observatorien
Strategien zur Seeing-Optimierung
Auch wenn Seeing nicht vollständig kontrollierbar ist, lassen sich seine negativen Auswirkungen durch kluges Vorgehen und technisches Feingefühl reduzieren:
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Teleskop ausreichend auskühlen lassen (je nach Tubusmaterial 30–90 Minuten)
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Wärmespeichernde Flächen meiden – ideal sind Standorte auf Wiese oder Erde
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Montierung in windgeschützter Umgebung aufstellen
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Aufnahmezeitpunkte wählen, an denen Jetstream und Windgeschwindigkeit gering sind
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Keine Beobachtung über Schornsteine, Hausdächer oder Asphalt
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Beim Planetenfotografie kurze Belichtungszeiten verwenden und auf Lucky Imaging setzen
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Atmosphärische Dispersionskorrektoren (ADC) einsetzen, insbesondere bei niedriger Objektposition
Seeing vs. Transparenz
Zwei häufig verwechselte Begriffe sind Seeing und Transparenz. Während Seeing die Qualität der Abbildung beeinflusst (Details, Schärfe), beschreibt Transparenz die atmosphärische Klarheit (z. B. Beeinträchtigung durch Dunst, Feuchtigkeit oder Hochnebel). Ein klarer Himmel mit guter Transparenz kann trotzdem schlechtes Seeing haben – etwa durch Jetstream oder Bodenunruhe.
Fazit
Seeing ist ein zentraler Parameter für die erfolgreiche Astrofotografie – insbesondere dann, wenn hohe Auflösung und feine Details gewünscht sind. Es beschreibt nicht nur ein atmosphärisches Phänomen, sondern beeinflusst unmittelbar die technische Umsetzung deiner Aufnahmen: Fokus, Nachführung, Bildschärfe und die Effektivität von Stacking-Methoden hängen direkt davon ab. Wer Seeing versteht und berücksichtigt, kann durch kluge Planung, Standortwahl und Aufnahmetechnik deutlich bessere Ergebnisse erzielen – selbst mit bescheidenem Equipment.