Langzeitbelichtung in der Astrofotografie
Die Langzeitbelichtung ist eine zentrale Technik in der Astrofotografie. Sie ermöglicht es, lichtschwache Objekte sichtbar zu machen, die mit kurzen Belichtungen unsichtbar bleiben würden. Während das menschliche Auge nur Helligkeit in Echtzeit erfassen kann, sammelt ein Kamerasensor mit Langzeitbelichtung über Sekunden oder sogar Minuten hinweg Photonen – und baut damit nach und nach ein sichtbares Bild des Kosmos auf.
Was bedeutet Langzeitbelichtung?
In der Astrofotografie spricht man von Langzeitbelichtung, wenn die Belichtungszeit pro Einzelaufnahme in der Größenordnung von mehreren Sekunden bis hin zu mehreren Minuten liegt. Die Dauer hängt von verschiedenen Faktoren ab:
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Objektklasse (z. B. Galaxie vs. Mond)
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Teleskopöffnung und Lichtstärke
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Kameraempfindlichkeit (Gain/ISO)
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Lichtverschmutzung am Standort
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Art des Filters (Breitband vs. Schmalband)
Warum ist Langzeitbelichtung notwendig?
Astrofotografie arbeitet fast ausschließlich mit extrem lichtschwachen Quellen. Selbst helle Galaxien senden kaum mehr Licht als eine dunkle Nachtwolke auf der Erde. Ohne Langzeitbelichtung würden selbst moderne Sensoren lediglich „schwarze Bilder“ liefern.
Vorteile:
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Höheres Signal-Rausch-Verhältnis (SNR)
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Sichtbar machen von Deep-Sky-Objekten
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Bessere Farbsättigung
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Detailreichere Strukturen in Nebeln und Galaxien
Technische Voraussetzungen
Nachführung
Da sich die Erde dreht, muss die Kamera auf einer nachgeführten Montierung sitzen. Andernfalls entstehen bereits nach wenigen Sekunden Sternspuren (Star Trails).
Guiding (Autoguiding)
Für Belichtungen über ca. 60–120 Sekunden ist eine Autoguiding-Kamera sinnvoll, um kleine Ungenauigkeiten der Montierung auszugleichen.
Dunkle Umgebung
Lichtverschmutzung reduziert die maximal sinnvolle Belichtungsdauer. In Städten sind kürzere Belichtungen mit vielen Stacks + Filter oft besser als extrem lange Einzelbelichtungen.
Typische Belichtungszeiten nach Objekt und Technik
Objektklasse | Belichtungszeit (Einzelbild) | Hinweis |
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Mond | <1 s | Keine Nachführung nötig |
Planeten | <1 s | Videoaufnahme + Stacking |
Offene Sternhaufen | 30–120 s | Breitband möglich |
Galaxien | 180–600 s | Gute Nachführung notwendig |
Emissionsnebel | 300–1200 s | Optimal mit Schmalbandfilter |
Startrails | Minuten bis Stunden | Kein Guiding nötig |
Formel: Signal-Rausch-Verhältnis (vereinfacht)
Ein zentrales Ziel der Langzeitbelichtung ist ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis:
SNR∝t⋅St⋅(S+B+D+R2)\text{SNR} \propto \frac{t \cdot S}{\sqrt{t \cdot (S + B + D + R^2)}}
t = Belichtungszeit
S = Signal vom Objekt
B = Himmelshintergrund
D = Dunkelstrom
R = Leserauschen
Je länger die Belichtung (größeres t), desto besser das SNR – bis zur Grenze der Sättigung oder des Lichtverschmutzungsniveaus.
Stacken vs. Einzelbelichtung
Langzeitbelichtung pro Frame
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Hohe SNR pro Einzelbild
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Risiko von Bildfehlern (Satelliten, Flugzeuge)
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Guiding muss exakt sein
Kurze Belichtungen + Stacking
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Höhere Fehlertoleranz
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Flexible Selektion beim Stacken
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Ideal bei mäßiger Montierung oder Lichtverschmutzung
Beispiel:
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10 x 600 s = 1h 40min Belichtung
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60 x 100 s = 1h 40min Belichtung
→ Endergebnis kann ähnlich aussehen, aber der Workflow ist unterschiedlich.
Kameraeinstellungen für Langzeitbelichtung
Parameter | Empfehlung |
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ISO (DSLR) | 800–1600, abhängig vom Modell |
Gain (Astrokamera) | Mittlerer bis hoher Bereich |
Belichtungszeit | Abhängig vom Objekt und Standort |
RAW-Modus | Pflicht für maximale Daten |
Dark Frames | Reduzierung thermischen Rauschens |
Herausforderungen der Langzeitbelichtung
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Sensorüberhitzung → Kühlung bei CMOS/CCD-Kameras
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Amp-Glow → Bei CMOS-Sensoren bei hoher Gain/langem t
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Satelliten/Flugzeuge → Störung der Aufnahme
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Wind/Vibrationen → Mechanische Stabilität notwendig
Optimale Bedingungen schaffen
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Stabiler Untergrund für das Stativ
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Fokus prüfen mit Bahtinov-Maske
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Polaralignment exakt durchführen
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Darks, Flats, Bias korrekt aufnehmen
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Kollimation und Justage vor Aufnahme prüfen
FAQ – Häufige Fragen zur Langzeitbelichtung
Wie lang kann ich belichten, ohne Nachführung?
Ohne Nachführung gilt die 500-Regel:
Max. Belichtung (s)=500Brennweite (mm)×Crop-Faktor\text{Max. Belichtung (s)} = \frac{500}{\text{Brennweite (mm)} \times \text{Crop-Faktor}}
Beispiel:
50 mm Objektiv an APS-C (Crop 1.5)
→ 500 / (50 × 1.5) = ca. 6.7 Sekunden
Warum sind meine Sterne „Eier“?
Ursachen:
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Falsche Nachführung
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Nachführfehler (z. B. schlechtes Guiding)
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Schlechte Polausrichtung
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Wind oder Kabelzug an Kamera
Wie finde ich die optimale Belichtungszeit?
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Testreihe machen (z. B. 30 s, 60 s, 120 s, 300 s)
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Histogramm prüfen (rechts nicht anschlagen lassen)
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Abhängig von Filter: Schmalband braucht länger