In der Astrofotografie beschreibt der Begriff Vollspektrum eine Kamera, bei der die werkseitige UV/IR-Sperrfilterung entfernt oder modifiziert wurde, sodass der Sensor den gesamten spektralen Bereich vom nahen Ultraviolett über das sichtbare Licht bis in den nahen Infrarotbereich erfassen kann. Diese Kameras werden oft als „vollspektrum-modifiziert“ oder „full-spectrum“ bezeichnet.

Die meisten handelsüblichen Digitalkameras besitzen ab Werk einen sogenannten Hot Mirror, also einen UV/IR-Cut-Filter, der die Kamera auf das menschliche Sehen optimiert. In der Astrofotografie ist das jedoch hinderlich, da viele interessante astronomische Objekte – insbesondere Emissionsnebel – Licht in Spektralbereichen außerhalb des sichtbaren Lichts abstrahlen, etwa im Hα (656 nm) oder SII (672 nm) Bereich. Durch eine Vollspektrum-Modifikation wird die Kamera also empfindlicher für diese wichtigen Wellenlängen.


Eigenschaften und Nutzen

Eine vollspektrumfähige Kamera kann ein deutlich erweitertes Lichtspektrum erfassen. Besonders relevant ist dies für:

Emissionsnebel-Fotografie – höhere Hα-Signalstärke
Infrarot-Astrofotografie – z. B. bei der Abbildung von Sternentstehungsgebieten
Nutzung spezieller astronomischer Filter (Hα, SII, OIII)
Maximale Lichtausbeute bei schwachen Deep-Sky-Zielen

❌ Ohne geeignete Filter ist die Farbtreue stark verfälscht
❌ Fokuslage verschiebt sich durch IR-Licht – Fokus muss manuell exakt angepasst werden
❌ Kamera wird empfindlicher für Streulicht, Halos und Ghosting
❌ Für Tageslichtaufnahmen ungeeignet – Farben wirken unnatürlich


Technische Hinweise

✅ Eine Vollspektrum-Kamera muss mit externem UV/IR-Cut-Filter kombiniert werden, wenn sie für RGB-Aufnahmen genutzt werden soll.
✅ Für Schmalbandaufnahmen (z. B. mit Hα- oder Dualbandfiltern) ist die volle Spektrumsempfindlichkeit besonders vorteilhaft.
✅ Bei DSLR-Modifikationen wird häufig das Originalglas entfernt und durch quarzklare Ersatzfilter ersetzt.
✅ Der Autofokus funktioniert nach der Modifikation oft nicht mehr exaktFokus sollte immer manuell überprüft werden.


Häufige Fragen (FAQ)

Was ist der Unterschied zwischen Astromodifikation und Vollspektrum?
Eine Astromodifikation (z. B. „Hα-Boost“) ersetzt den IR-Sperrfilter durch einen durchlässigeren, lässt aber UV und IR meist weiterhin blockieren.
Bei der Vollspektrum-Modifikation wird der Filter ganz entfernt oder durch einen klaren ersetzt – der Sensor erhält vollen Zugang zu UV und IR.

Brauche ich spezielle Filter für eine Vollspektrum-Kamera?
✅ Ja. Ohne Filter wirkt das Bild farbstichig oder unscharf.
Für RGB-Fotografie brauchst du einen UV/IR-Cut-Filter. Für Schmalbandbilder sind Hα-, OIII- oder Dualbandfilter ideal.

Ist eine Vollspektrum-Kamera auch für visuelle Fotografie geeignet?
❌ Nein. Ohne Filter wirken Farben stark verfälscht. Sie ist speziell für die Astrofotografie oder IR-Fotografie optimiert.
✅ Mit passendem Filter kann man sie auch tagsüber nutzen – z. B. mit IR- oder ND-Filtern für Spezialeffekte.

Welche Kameras lassen sich auf Vollspektrum umrüsten?
Viele DSLRs (z. B. Canon EOS-Reihe, Nikon D-Reihe) und auch Systemkameras (Sony, Panasonic, etc.) lassen sich professionell oder im DIY-Verfahren modifizieren.
Auch manche gekühlten CMOS-Astrokameras sind ab Werk im Vollspektrum erhältlich (z. B. ZWO ASI2600MC Full Spectrum).

Wie erkenne ich, ob meine Kamera vollspektrumfähig ist?
✅ Nach dem Umbau wird in den technischen Daten „Full Spectrum“ oder „Astro-Mod“ angegeben.
❌ Serienkameras mit eingebautem Hot Mirror sind nicht vollspektrumfähig, solange sie nicht umgebaut wurden.


Fazit

Vollspektrumkameras eröffnen neue Möglichkeiten in der Astrofotografie, insbesondere für die Abbildung lichtschwacher, spektral intensiver Objekte wie Nebelregionen. Sie erfassen mehr Signal, mehr Tiefe und mehr Wellenlängen – benötigen aber eine exakte Filterung und sorgfältige Handhabung. Wer bereit ist, sich technisch einzuarbeiten, wird mit einer deutlich höheren Flexibilität und Bildtiefe belohnt.