Oversampling bezeichnet in der Astrofotografie den Zustand, bei dem die Auflösung der Kamera höher ist als die tatsächliche Auflösung des Teleskops. Genauer gesagt: Die Pixelgröße des Sensors ist zu klein im Verhältnis zur Brennweite und dem Seeing – was bedeutet, dass ein Punkt auf dem Himmel auf zu viele Pixel verteilt wird. Dadurch wird die Auflösung nicht verbessert, sondern die Lichtausbeute pro Pixel reduziert und das Bildrauschen unnötig erhöht.
Die Idee, mit vielen kleinen Pixeln „mehr Details“ aufzulösen, liegt zwar nahe, führt aber in der Praxis zu einem schlechten Kompromiss zwischen Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) und Datenmenge – besonders unter realen Bedingungen mit atmosphärischem Seeing.
Technischer Hintergrund
Die Bildauflösung eines Systems hängt nicht nur vom Sensor ab, sondern vor allem von:
-
der Brennweite des Teleskops
-
der Pixelgröße der Kamera (in µm)
-
dem atmosphärischen Seeing (typisch 1–3 Bogensekunden)
Ein zentraler Begriff zur Bewertung ist der Image Scale (Abbildungsmaßstab):
Image Scale (”/Pixel)=206.265×Pixelgro¨ße (µm)Brennweite (mm)\text{Image Scale (“/Pixel)} = \frac{206.265 \times \text{Pixelgröße (µm)}}{\text{Brennweite (mm)}}
Beispiel:
Pixelgröße = 2,4 µm, Brennweite = 1000 mm
Image Scale=206.265×2.41000≈0.50′′/Pixel\text{Image Scale} = \frac{206.265 \times 2.4}{1000} \approx 0.50“/Pixel
Wenn das durchschnittliche Seeing bei 2“ liegt, wird hier viermal mehr aufgelöst, als tatsächlich durch die Atmosphäre möglich ist – das ist klassisches Oversampling.
Praktische Auswirkungen von Oversampling
Nachteile
-
Licht wird auf mehr Pixel verteilt
→ Das Signal pro Pixel sinkt, was zu höherem Rauschen führt. -
Größere Bilddateien, längere Bearbeitung
→ Höherer Speicherverbrauch, mehr Rechenleistung beim Stacking. -
Längere Belichtungszeiten nötig
→ Da pro Pixel weniger Photonen ankommen, dauert es länger, ein gutes SNR zu erreichen. -
Kein sichtbarer Gewinn an Details
→ Seeing begrenzt reale Auflösung, der Sensor „sieht“ nicht mehr als das Teleskop + Atmosphäre liefern können.
Wann Oversampling sinnvoll sein kann
-
Bei exzellenter atmosphärischer Stabilität (z. B. Hochgebirgsstandorte, EAA)
-
In der Planetenfotografie, wo Lucky Imaging mit tausenden kurzen Frames betrieben wird
-
Wenn später Downsampling (Re-Sampling) geplant ist, um das Bildrauschen zu reduzieren
-
Bei hochspezialisierter Deconvolution-Bildbearbeitung mit PixInsight o. ä.
Optimaler Bereich: Sampling-Faktor
Eine oft zitierte Regel ist der Nyquist-Faktor, bei dem die Abtastung doppelt so fein wie das Detailmaß sein sollte. Für die Astrofotografie empfiehlt sich:
Image Scale≈12×Seeing\text{Image Scale} \approx \frac{1}{2} \times \text{Seeing}
Typisches Seeing in Mitteleuropa: 2–3“ → Ziel: 1“ bis 1.5“ pro Pixel
Alles unter 0.7“/Pixel gilt im Alltag meist als Oversampling.
Beispielvergleich
Parameter | Setup A (kritisch) | Setup B (oversampled) |
---|---|---|
Brennweite | 600 mm | 1000 mm |
Pixelgröße | 4.6 µm | 2.4 µm |
Image Scale | 1.58“/px | 0.49“/px |
Seeing (Ø) | 2.0“ | 2.0“ |
Ergebnis | Effizient | Oversampled |
Setup B hat eine viel höhere Auflösung auf dem Sensor, kann aber nicht mehr Details liefern – das zusätzliche Sampling wird nicht genutzt und verschlechtert die Effizienz.
Strategien zur Vermeidung
-
Pixelgröße & Brennweite abstimmen
→ Lange Brennweite = größere Pixel, kurze Brennweite = kleinere Pixel -
Downsampling in der Nachbearbeitung
→ z. B. 2x Binning nach dem Stacking, reduziert Rauschen -
Re-Sampling beim Stacking
Tools wie Siril, PixInsight oder APP bieten automatische Reduzierung auf optimale Maßstäbe -
Alternative Kamera wählen
Bei lichtschwacher Fotografie sind Kameras mit 4–5 µm Pixelgröße oft die bessere Wahl als High-Res-Chips mit 2,4 µm
Fazit
Oversampling ist ein häufiger, aber unterschätzter Effizienzverlust in der Astrofotografie. Wer das Verhältnis zwischen Pixelgröße und Brennweite nicht beachtet, verschenkt Belichtungszeit, Speicher und Bildqualität. Ein zu hoher Detailanspruch „am Sensor vorbei“ bringt keinen Gewinn, wenn das Seeing die tatsächliche Bildschärfe limitiert. Besser ist es, auf ein ausgewogenes Sampling zu achten, das dem Standort und dem Teleskop entspricht. So erzielt man die beste Balance aus Detailtreue, Belichtungszeit und Verarbeitung.