Off-Axis-Guider (OAG)
Der Off-Axis-Guider (OAG) ist ein präzises und effektives Werkzeug in der Astrofotografie, das zur Verbesserung der Nachführung während langer Belichtungen verwendet wird. Im Gegensatz zu Guiding-Setups mit einem separaten Leitrohr nutzt ein OAG den Lichtstrahl des Hauptteleskops selbst, um über ein kleines Prisma einen Stern abseits der Bildmitte abzuleiten. Dieser Stern wird durch eine Guiding-Kamera verfolgt, um exakte Korrekturimpulse an die Montierung zu geben. Dadurch wird eine maximale Genauigkeit erzielt, die insbesondere bei langbrennweitiger Deep-Sky-Fotografie unerlässlich ist.
Ein klassischer Aufbau eines OAG besteht aus einem flachen mechanischen Adapter, der zwischen dem Teleskopausgang und der Hauptkamera eingeschraubt wird. Innerhalb dieses Adapters befindet sich ein kleines, verstellbares Umlenkprisma, das einen Teil des Lichts abzweigt – jedoch so weit außerhalb der optischen Achse, dass das Hauptbild nicht beeinflusst wird. Diese Lichtmenge reicht aus, um in der Guiding-Kamera helle Sterne abzubilden, die als Referenzpunkte für die Montierung dienen.
Diese Art des Guidings bringt mehrere Vorteile mit sich. Der bedeutendste ist die Eliminierung des sogenannten „Differential Flexure“-Effekts, der bei klassischen Leitrohrlösungen auftreten kann. Dabei bewegen sich Hauptteleskop und Leitrohr minimal gegeneinander – meist durch Spiel in Halterungen, Temperaturschwankungen oder unterschiedliche mechanische Belastungen. Das Resultat sind unscharfe, verzogene oder „eierförmige“ Sterne trotz eigentlich sauberer Guidingdaten. Da beim OAG das Guiding auf demselben Strahlengang wie die Aufnahme erfolgt, ist eine solche Abweichung prinzipiell ausgeschlossen.
Allerdings ist der Einsatz eines OAG nicht ganz trivial. Die Fokussierung beider Kameras – Haupt- und Guidingkamera – muss exakt aufeinander abgestimmt werden. Besonders problematisch ist dies, wenn die Backfokusdistanz (der Abstand zwischen Teleskop und Kamera-Sensor) exakt eingehalten werden muss, etwa bei der Verwendung von Korrektoren wie Flattenern oder Reducern. Ebenso erschwert sich bei schnellen Optiken oder engen Bildfeldern die Suche nach geeigneten Leitsternen, da das Prisma nur einen kleinen Bereich erfasst.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die optische Bauhöhe. Gerade bei DSLRs oder Filterrädern kann es schwierig werden, die nötige Backfokusdistanz einzuhalten. Viele Hersteller bieten jedoch modulare OAG-Systeme mit feineinstellbarer Prismahöhe und verschiedenen Gewindeadaptern an, um eine möglichst flexible Integration zu ermöglichen.
Vergleich: Off-Axis-Guider vs. Leitrohr-Guiding
Merkmal | Off-Axis-Guider (OAG) | Leitrohr-Guiding |
---|---|---|
Guiding-Strahlengang | Über das Hauptteleskop | Separates Leitrohr |
Flexure-Empfindlichkeit | Keine | Hoch (besonders bei langen Belichtungen) |
Aufbaukomplexität | Höher | Einfacher |
Platzbedarf | Kompakt | Benötigt weiteres Rohr & Halterung |
Fokusabgleich (Haupt/Guide) | Aufwändig | Einfach (unabhängig) |
Leitsternverfügbarkeit | Eingeschränkt | Flexibler (größeres Sichtfeld) |
Optimal für | Lange Brennweiten (>1000 mm) | Kurze bis mittlere Brennweiten |
Ein OAG entfaltet seine Vorteile insbesondere bei Brennweiten jenseits der 1000 mm. In diesen Bereichen machen sich kleinste Abweichungen in der Nachführung besonders deutlich bemerkbar. Astrofotografen, die auf höchste Präzision setzen – etwa bei Galaxien- oder Nebelaufnahmen mit sehr feiner Bildauflösung – profitieren erheblich von dieser Methode.
Zu beachten ist jedoch, dass nicht jede Guidingkamera gleich gut für den OAG geeignet ist. Ideal sind Sensoren mit hoher Empfindlichkeit und einem möglichst großen Bildfeld, um überhaupt einen Leitstern im schmalen Gesichtsfeld des Prismas zu finden. Moderne CMOS-Kameras mit empfindlichen Schwarzweiß-Sensoren (z. B. ZWO ASI120MM Mini oder QHY5L-II) haben sich in der Praxis bewährt.
Formelbeispiel: Pixelgenaue Guiding-Korrektur
Zur Bewertung der Guiding-Performance über OAG wird oft der Image Scale herangezogen:
Image Scale (arcsec/pixel)=206.265×Pixelgro¨ße (μm)Brennweite (mm)\text{Image Scale (arcsec/pixel)} = \frac{206.265 \times \text{Pixelgröße (μm)}}{\text{Brennweite (mm)}}
Beispiel:
Pixelgröße = 3.75 μm, Brennweite = 1000 mm
→ Image Scale = 0.77 arcsec/pixel
Für exakte Guiding-Korrekturen sollte die Auflösung der Guidingkamera im ähnlichen Bereich liegen. Ist sie deutlich höher, kann „Oversampling“ entstehen – was die Guidingsoftware instabil machen kann.
Fazit
Ein Off-Axis-Guider ist ein professionelles Werkzeug für Astrofotografen, die höchste Präzision bei der Nachführung anstreben – insbesondere bei langen Brennweiten oder mobilen Setups, bei denen Flexibilität und Gewicht entscheidend sind. Richtig eingerichtet, liefert ein OAG zuverlässig gestochen scharfe Aufnahmen mit runden Sternen, auch bei mehreren Minuten Belichtungszeit pro Einzelbild.
FAQ
Ist ein OAG für Anfänger geeignet?
Nur bedingt. Die Einrichtung erfordert Erfahrung, besonders beim Fokusabgleich und der Prismaausrichtung.
Welche Kameras eignen sich für OAG-Guiding?
Hochempfindliche Monochrom-Kameras mit kleinen Pixeln und großem Sensorfeld – z. B. ASI120MM Mini, QHY5III-174M.
Wie finde ich einen Leitstern im kleinen OAG-Feld?
Durch Rotieren des OAG-Gehäuses kann das Prisma auf unterschiedliche Himmelsbereiche ausgerichtet werden.
Muss ich mit einem OAG häufiger nachfokussieren?
Nein, sofern der OAG mechanisch stabil montiert ist, bleibt der Fokus während einer Session erhalten.